Freitag, 15. Januar 2021
Begegnungen
Ich hatte: Dichter, Denker, Philosophen, Künstler, Verbrecher, Detektive, Piraten, Salzstreuer, Firmenbesitzer und Firmenverlierer, Windhunde und Bulldoggen, Egoisten und echte Gönner, aber alle hatten eins gemeinsam. Sobald ich in ihr Leben kam, redeten sie nur von sich.
Entweder waren sie schon zu lange allein, hatten den Weltschmerz für sich gepachtet, oder sie hatten verlernt Fragen zu stellen. Jedenfalls sehnten sie sich nach einer Beziehung auf Augenhöhe. Vielleicht damit sie sich nicht bücken mussten, wenn sie mit mir sprachen?
Und ich hab Ihnen einfach zugehört.
Sie wollten gar nichts wissen von mir. Nicht wirklich. Ich hörte gern ihre Geschichten.
Es waren Drama-Kings dabei und echte Dramatiker.
Der Dichter fand Worte für jeden Gefühlskrümel. Treffend, passend, bunt, zart.
Der Denker fand für alles eine Erklärung, mit dem Philosophen war Denken ein Glücksgefühl, für den Künstler war ich eine Muse, der Verbrecher hat mein Herz geklaut und der Detektiv fand meine Fehler. Mit dem Pirat habe ich Abenteuer erlebt, der Salzstreuer war solala. Aber der Firmenbesitzer war langweilig, da ziehe ich die Zerrissenheit des Firmenverlierers vor! Windhunde gabs ein paar, aber die rannten so schnell vorbei, hab die Namen schon vergessen; schön waren sie. Die Bulldoggen waren stets unbeweglich, hatten aber ihre feste Meinung. Und die Egoisten, tja, nicht der Rede wert, aber die wahren Gönner, mit denen war es lebenswert!
Und was kommt nun?
Wieder ein Haufen Worte von „Ich habe...“, „Ich wurde...“ und „Ich kann….“und „Ich nehm dich mit...“, „da gehen wir hin...“
So viele Versprechen in einem Leben, so viele Blumen gibt es nicht auf der Welt.
Sie strandeten bei mir, ich hab sie gut auf bewahrt für den Moment.
Ich halte ihr Lachen fest, auch wenn es bei einigen Fratzen ins Gesicht gemeisselt hat.
Falsche Furchen, falsche Abzweigungen wohin das Auge sieht.
Wer ist das Gesicht, das mir aus dem Spiegel in die Augen sieht?
Lebensvermeider, geschichtslos, stimmlos, ohne Vergangenheit. Totgeschwiegen. Fast nicht mehr da.
Und die Machos, die Macher der ewig gleichen Masche. So gern hab ich sie. Ihre Falschheit ist echt geworden, weil sie sich so abgrundtief ernst nehmen in ihrer Oberflächlichkeit.
Mitleid haben sie verdient. Nichts sonst. Ich auch? Das Leben als Projektionsfläche ist kein Zuckerschlecken. Aufstehen will ich und schreien. Die Luft ist mir weggeblieben unterwegs, als ich am Davonrennen war. Vor all dem, vor all denen, und vor mir. Ich habe keine Geschichte, und beinahe glaub ichs auch.
Wo ist ein echtes Lachen auf dieser Welt? Es muss nicht laut sein, ein leises Lächeln genügt mir auch! So ein Schmunzeln, kaum wahrnehmbar zwischen den Zähnen – aber echt!
Hab nie die Hoffnung aufgegeben, auf einen, der mir Fragen stellt. Einen der mich hält, wenn es drauf ankommt und nicht zurück schreckt vor diesem heftigen Ungetüm in mir.
Spuck mich an du Kern der Wahrheit, fang mich du treffender Pfeil des Jägers, der mich ins Visier genommen hat. Leichte Beute zwar, aber wer weiss, schon ist sie wieder weg.
Ich habe das gottverdammte Recht in meiner Traumwelt zu leben, denn nichts ist mir geblieben sonst. Und was bedeuten all die Worte, wenn wir uns in die Augen sehen! Echte Dialoge waren annähernd mit den Philosophen machbar – auch wenn es nur laut ausgesprochene Ideen waren. Zwei Blicke durch eine Scheibe sagen mehr als jedes Wort, lassen die Idee eines Versprechens zu, das hält. In einer Welt, die von Wahrscheinlichkeiten und Möglichkeiten geprägt ist, bleibt es am Ende doch nur beim Vielleicht.
Ich gehe zurück an meinen Strand. Jeder Stein ist ein Souvenir, ausgewaschen, verblichen, beschädigt, aber greifbar da. Jeder Stein entlockt mir ein Lächeln, ein Blitz, der durch meinen Körper geht.
Wir stürzen am Bungee-Seil in die Tiefe, um von unserer eigenen Oberflächlichkeit wegzukommen.
Ein echtes Gefühl zu spüren, das Leben zu spüren wie es ist. Wenigstens für den Moment und versuchen es festzuhalten, um es wie einen Stein in unserer Jackentasche immer bei uns zu haben.
So trage ich dich mit mir und pass auf, dass nichts verloren geht. Von deinem Lachen, deinem Knurren, deinen Blicken, deinen Küssen, deiner Stimme. Du gabst soviel mehr als Worte. Und ich war dir nicht zu viel. Das hat mich erstaunt.
Das Ende schlich daher und drängte sich zwischen uns, erst habe ich es gar nicht bemerkt und dann wurde mir klar, dass dieser Moment immer da war, diese Stimme in meinem Kopf, die sagte,“vorsicht, du musst ihn jederzeit loslassen“.
Da stehe ich mit den Füssen im Wasser, der Pegel steigt. Es regnet und es ist kalt, aber ich spüre nichts mehr, nichts ist mehr wichtig. Jetzt nichts mehr, denn du bist weg.
Die Steine in meiner Jacke tun das, was das Gesetz der Erde ist. Mir wird ganz leicht.

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